Montag, 21. Januar 2019

Zähne


Zähne
Jahrelang gut verdrängt. Eine gewisses Zeit lang hatten wir keinen Zahnarzt, weil unserer in Pension ging und es keinen Nachfolger gab. Ich gestehe, wir haben uns auch nicht sonderlich darum gekümmert. Lieber das Thema verdrängt. Akut ist es nur geworden, wenn wieder ein Zahn weh getan hat.
Bis zu dem Zeitpunkt, an dem Simon mit der dicken Backe, natürlich am Wochenende da stand. Wann sonst? Also Notdienst gesucht und gefunden, aber keine Weiterbehandlung. Kind mit offenem Zahn rumgelaufen und Mama wie eine Blöde herumtelefoniert, um überall die gleiche Antwort zu erhalten. Wir sind voll, wir nehmen niemanden.
Wobei ich ja da erst darauf gekommen bin, dass unser alter Zahnarzt schon ein paar Monate in Pension war.
Eine ganze Woche habe ich verzweifelt versucht einen Zahnarzt bzw. die Ordinationshilfen zu überreden, meinem Kind den Zahn zu füllen. Fehlanzeige.
Schließlich mein Mann, die Rettung verfügt über gute Beziehungen, kennt er doch den Vater eines Zahnarztes ganz gut.
Manchmal frage ich mich wirklich, was tut man bei uns ohne Beziehungen.Sogar einen Brief an die Gesundheitsministerin habe ich geschrieben. Die wirkt ja so engagiert bei ihrer Zusammenlegung der Kassen. Vielleicht kann sie sich ja auch des Zahnarztproblemes in unserer Region annehmen. Ich habe doch tatsächlich einen Brief zurück bekommen. 4 Seiten lang. Kurz gefaßt: 
Sie kennen das Problem in unserer Gegend. Liegt es doch daran, daß hier sehr reiche Menschen wohnen und sich sehr viele  Privatärzte angesiedelt haben, die den Kassenzahnärzten das Geschäft wegnehmen. Aha! 
Leider können sie mir bei unserem Problem nicht helfen. 
Tja was soll ich sagen, wir haben Beziehungen, Frau Minister. Ganz österreichisch. 
Seitdem sind wir und damit meine ich die gesamte Familie unter den Fittichen des lieben Dr. T. Ich bin jetzt nicht sicher, ob er uns genommen hat, weil sein Vater dafür war oder weil sich herausgestellt, dass der liebe Dr. T. in Jugendjahren mit meiner Schwägerin zusammen war und da einige sentimentale Erinnerungen hegt. Zumindest hat er mich sofort nach ihr gefragt, als ich zum ersten Mal die heiligen Hallen der Schmerzen betrat.
Und jetzt? Jetzt hat irgendein Familienmitglied permanent einen Termin bei dem guten Dr. T. Sei es nun zur Mundhygiene oder eine Füllung zu machen. Das hat er gleich verstanden. Wenn Mutti Zahnarztpanik hat, dann ist es wohl besser, ihr einen Termin nach dem anderen zu verpassen einschließlich ihrer Familienmitglieder.
Seit gut 2 Wochen laufe ich jetzt so essensmäßig auf Sparflamme. Macht ja auch keinen Spaß mehr, wenn einem der ganze Mund schmerzt. Nicht schlimm, hebt es wenigstens die Nebenwirkungen des Nikotinentzuges auf. Seit November rauche ich nicht mehr, dafür schmeckte mir das Essen umso besser. Das ist nun vorbei….
Innerhalb einer Woche gab es 3 Termine für mich. 2 x Zahn ziehen. 2 Füllungen. Weisheitszahn war nicht schlimm, aber der wurzelbehandelte Zahn hat sich mit allem ihm zur Verfügung stehender Macht gewehrt, sodass der liebe Dr. T. sich da ordentlich in mein Kiefer stemmen musste und bei dem Schneegestöber letzte Woche fast seine Kinder nicht pünktlich vom Kindergarten abholen konnte. Natürlich hat er Kinder, der Dr. T. Was habt ihr denn geglaubt, dass der 20 Jahre meiner Schwägerin nachtrauert? Ich glaube beiden geht es besser ohne einander. Also auf jeden Fall dank meines hartnäckigen Zahnes, habe ich jetzt eine blaue Backe, die verdächtig nach Kinnhaken aussieht und ich muss jetzt seit einer Woche immer die gleiche Frage beantworten. Wobei bin ich ja fast froh, dass jemand nachfragt. Diejenigen, die nicht nachfragen, denken sich dann vermutlich ihren Teil und mein Mann hat seinen schlechten Ruf weg.
Er ist sehr zerknirscht, der Herr Dr. T. Hat sich heute bei meinem Mann für den blauen Fleck entschuldigt. Ja geknirscht hat es ordentlich, das konnte ich sogar trotz der Schmerzbetäubung spüren. Schmerzbetäubung auch so ein Thema. Auf meiner Karteikarte oder mittlerweile ist das Teil vermutlich in den Tiefen des Computers des Dr. T. gespeichert, steht ganz groß geschrieben, Patientin wünscht Schmerzbetäubung. Nur so, das habe ich den Damen bei der Anmeldung erklärt, bin ich eine kooperative Patientin. Ich muss unbedingt schmerzbetäubt werden. Lieber stehe ich eine ganze Geburt durch, als 1 x eine Wurzelbehandlung ohne Narkose. 
Der liebe Dr. T. hat noch viel vor mit mir, aber das dauert, hat er mir erklärt. Da ist von Implantaten die Rede, aber zuerst muss alles gut ausheilen. Ich fühle mich gut aufgehoben mit meiner Baustelle im Mund. Hauptsache er gönnt mir zwischendurch ein wenig Aufschub.
Vielleicht macht Essen irgendwann auch wieder mal Spaß. Aber erst, wenn ich meine Sommerfigur habe.
Inzwischen kann ich ja versuchen, nicht ans Essen zu denken.

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