Zähne
Jahrelang gut verdrängt. Eine gewisses Zeit lang
hatten wir keinen Zahnarzt, weil unserer in Pension ging und es keinen
Nachfolger gab. Ich gestehe, wir haben uns auch nicht sonderlich darum
gekümmert. Lieber das Thema verdrängt. Akut ist es nur geworden, wenn wieder
ein Zahn weh getan hat.
Bis zu dem Zeitpunkt, an dem Simon mit der
dicken Backe, natürlich am Wochenende da stand. Wann sonst? Also Notdienst
gesucht und gefunden, aber keine Weiterbehandlung. Kind mit offenem Zahn rumgelaufen
und Mama wie eine Blöde herumtelefoniert, um überall die gleiche Antwort zu
erhalten. Wir sind voll, wir nehmen niemanden.
Wobei ich ja da erst darauf gekommen bin, dass
unser alter Zahnarzt schon ein paar Monate in Pension war.
Eine ganze Woche habe ich verzweifelt versucht
einen Zahnarzt bzw. die Ordinationshilfen zu überreden, meinem Kind den Zahn zu
füllen. Fehlanzeige.
Schließlich mein Mann, die Rettung verfügt
über gute Beziehungen, kennt er doch den Vater eines Zahnarztes ganz gut.
Manchmal frage ich mich wirklich, was tut man
bei uns ohne Beziehungen.Sogar einen Brief an die Gesundheitsministerin habe ich geschrieben. Die wirkt ja so engagiert bei ihrer Zusammenlegung der Kassen. Vielleicht kann sie sich ja auch des Zahnarztproblemes in unserer Region annehmen. Ich habe doch tatsächlich einen Brief zurück bekommen. 4 Seiten lang. Kurz gefaßt:
Sie kennen das Problem in unserer Gegend. Liegt es doch daran, daß hier sehr reiche Menschen wohnen und sich sehr viele Privatärzte angesiedelt haben, die den Kassenzahnärzten das Geschäft wegnehmen. Aha!
Leider können sie mir bei unserem Problem nicht helfen.
Tja was soll ich sagen, wir haben Beziehungen, Frau Minister. Ganz österreichisch.
Seitdem sind wir und damit meine ich die
gesamte Familie unter den Fittichen des lieben Dr. T. Ich bin jetzt nicht
sicher, ob er uns genommen hat, weil sein Vater dafür war oder weil sich herausgestellt,
dass der liebe Dr. T. in Jugendjahren mit meiner Schwägerin zusammen war und da
einige sentimentale Erinnerungen hegt. Zumindest hat er mich sofort nach ihr
gefragt, als ich zum ersten Mal die heiligen Hallen der Schmerzen betrat.
Und jetzt? Jetzt hat irgendein
Familienmitglied permanent einen Termin bei dem guten Dr. T. Sei es nun zur
Mundhygiene oder eine Füllung zu machen. Das hat er gleich verstanden. Wenn
Mutti Zahnarztpanik hat, dann ist es wohl besser, ihr einen Termin nach dem
anderen zu verpassen einschließlich ihrer Familienmitglieder.
Seit gut 2 Wochen laufe ich jetzt so
essensmäßig auf Sparflamme. Macht ja auch keinen Spaß mehr, wenn einem der
ganze Mund schmerzt. Nicht schlimm, hebt es wenigstens die Nebenwirkungen des
Nikotinentzuges auf. Seit November rauche ich nicht mehr, dafür schmeckte mir
das Essen umso besser. Das ist nun vorbei….
Innerhalb einer Woche gab es 3 Termine für
mich. 2 x Zahn ziehen. 2 Füllungen. Weisheitszahn war nicht schlimm, aber der wurzelbehandelte
Zahn hat sich mit allem ihm zur Verfügung stehender Macht gewehrt, sodass der
liebe Dr. T. sich da ordentlich in mein Kiefer stemmen musste und bei dem
Schneegestöber letzte Woche fast seine Kinder nicht pünktlich vom Kindergarten
abholen konnte. Natürlich hat er Kinder, der Dr. T. Was habt ihr denn geglaubt,
dass der 20 Jahre meiner Schwägerin nachtrauert? Ich glaube beiden geht es
besser ohne einander. Also auf jeden Fall dank meines hartnäckigen Zahnes, habe
ich jetzt eine blaue Backe, die verdächtig nach Kinnhaken aussieht und ich muss
jetzt seit einer Woche immer die gleiche Frage beantworten. Wobei bin ich ja
fast froh, dass jemand nachfragt. Diejenigen, die nicht nachfragen, denken sich
dann vermutlich ihren Teil und mein Mann hat seinen schlechten Ruf weg.
Er ist sehr zerknirscht, der Herr Dr. T. Hat
sich heute bei meinem Mann für den blauen Fleck entschuldigt. Ja geknirscht hat
es ordentlich, das konnte ich sogar trotz der Schmerzbetäubung spüren. Schmerzbetäubung
auch so ein Thema. Auf meiner Karteikarte oder mittlerweile ist das Teil
vermutlich in den Tiefen des Computers des Dr. T. gespeichert, steht ganz groß geschrieben,
Patientin wünscht Schmerzbetäubung. Nur so, das habe ich den Damen bei der Anmeldung
erklärt, bin ich eine kooperative Patientin. Ich muss unbedingt schmerzbetäubt
werden. Lieber stehe ich eine ganze Geburt durch, als 1 x eine Wurzelbehandlung
ohne Narkose.
Der liebe Dr. T. hat noch viel vor mit mir, aber das dauert, hat er mir erklärt. Da ist von Implantaten die Rede, aber zuerst muss alles gut ausheilen. Ich fühle mich gut aufgehoben mit meiner Baustelle im Mund. Hauptsache er gönnt mir zwischendurch ein wenig Aufschub.
Vielleicht macht Essen irgendwann auch wieder mal Spaß. Aber erst, wenn ich meine Sommerfigur habe.
Inzwischen kann ich ja versuchen, nicht ans Essen zu denken.